Bestimmt ist mittlerweile einigen die Methode des Flipped Classroom geläufig, oder man hat zumindest schonmal davon gehört. Aber um den den Flipped Classroom richtig zu verstehen und Missverständnisse zu vermeiden, muss man ein bißchen ausholen und sich erstmal darüber Gedanken machen, wie klassischer Unterricht ablaufen kann.
TRADITIONELLER UNTERRICHT
Die Grafik zeigt den lehrerzentrierten Frontalunterricht und ist – zugegebenermaßen – ein bißchen überspitzt. In dieser Unterrichtsform erklärt der Lehrer ein Thema oder erarbeitet es „Fragen entwickelnd“ gemeinsam mit seinen Schülern. Aus Zeitgründen wird ein Großteil der Übungen aus dem Unterricht ausgelagert, meistens in Form der Hausaufgaben. Wir wollen an dieser Stelle gar nicht negativ über diese Form des Unterrichts urteilen, im Gegenteil. Wir wollen viel mehr tatsächlich eine Lanze brechen für eine Art zu Unterrichten, die zu Unrecht häufig kritisiert und in manchen Ausbildungsseminaren jungen Lehrkräften als die Wurzel allen Übels vermittelt wird. Denn gut geplant und mit den richtigen Fragen verbunden, ist diese Methode nach wie vor sehr effektiv, eignet sich für einige Themen deutlich besser als eine Selbsterarbeitung durch Schüler und die Akzeptanz in der Schülerschaft ist nach wie vor generell sehr hoch. Dennoch gibt es aus unserer Sicht einige Schwächen:
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Nicht individuell
Wenn wir ehrlich zu uns sind, unterrichten wir in dieser Form häufig nur für 1/3 der Schüler. Eines der anderen beiden Drittel benötigt gar keine ausführlich Erklärung durch die Lehrkraft und das andere ist mit der Geschwindigkeit der Erklärung und der Menge des dabei vermittelten Stoffes überfordert. Eine erneute Erklärung in aller Ruhe, würde daher gerade diesem letzten Drittel helfen.
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Nicht genug Zeit im Unterricht
Durch die oben beschriebenen Probleme dauern die Erklär- und Erarbeitungsphasen im Unterricht oft länger als geplant. Häufig erreicht man daher im Unterricht nur noch sehr einfache Einstiegsaufgaben und muss die Aufgaben des mittleren oder gar gehobenen Niveaus den Schülern als Hausaufgabe überlassen.
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Zu schwierige Hausaufgaben
Viele Schüler haben Probleme ihre Hausaufgaben, gerade wenn diese neu erarbeitete Themen betreffen, zufriedenstellend zu bewältigen. Die dabei entstehenden Probleme muss man in der nächsten Unterrichtsstunde auffangen, wodurch allein durch die Hausaufgabenbesprechung, wieder viel Zeit in Anspruch genommen wird und man erneut nur einem kleinen Teil der Schüler der Klasse gerecht werden kann. Überspitz könnte man sagen, man gerät schnell in eine Art Teufelskreis.
Bei den eben beschriebenen Problemen kann man durch die Methode des Flipped Classroom eine Verbesserung bewirken. Wenn man sich etwas aus dem Fenster lehnt, könnte man daher Flipped Classroom auch als eine Art Frontalunterricht 2.0 bezeichnen.
FLIPPED CLASSROOM
Der Schüler eignet sich außerhalb des Unterrichts (zu Hause oder in freien Lernphasen in der Schule) in seinem eigenen Tempo die theoretischen und praktischen Grundlagen eines neuen Themas an, indem er ein von uns erstelltes Erklärvideos bearbeitet. Bearbeiten heißt in diesem Fall die Videos anzusehen, die darin gestellten kleinen Arbeitsaufträge zu erledigen, als Endprodukt einen Heftaufschrieb anzufertigen und ein zum Video passendes Quiz zu lösen. Anschließend wird im Unterricht mit verschiedenen Methoden und Aufgabenstellungen differenziert geübt, das Gelernte vertieft und weiterführende Zusammenhänge erarbeitet.
Die drei oben beschriebenen Schwächen können dadurch behoben werden:
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Individuell
Wie jeder andere Mensch auch, können Schüler nicht rund um die Uhr aufmerksam sein. Bei einem Schultag von 7:45 Uhr bis 17:30 Uhr muss manches zwangsläufig unter den Tisch fallen. Schüler wünschen sich daher manchmal einen Lehrer, den sie zurückspulen oder wenn es zu viel wird, auch mal anhalten könnten. Ein Erklärvideo kann sich jeder Schüler im eigenen Tempo, mit Pausen und falls nötig auch mehrmals hintereinander ansehen.
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Mehr Zeit im Unterricht
Dadurch, dass die Schüler den Input und den Heftaufschrieb schon daheim erledigt haben, hat man im Unterricht mehr Zeit. Man kann somit die schwierigen Aufgaben und Problemstellungen im Unterricht bearbeiten. Zudem hat man ausreichend Zeit, die Schüler an geeigneten Stelle eigenständig und differenziert an Problemstellungen arbeiten zu lassen. Und nicht zuletzt hat man als Lehrer mehr Zeit für individuelles Feedback.
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Einfache Hausaufgabe
Die Schüler haben kaum noch Probleme bei der Erledigung der Hausaufgaben. Die Erklärvideos vermitteln ein neues Thema kompakt, verständlich und auf ein Grundlagenniveau angepasst. Die Verständnis der Regeln, die Bearbeitung der Übungsaufgaben und das Erstellen des zugehörigen Herftaufschriebs stellt somit kein Problem dar.
Also:
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Schau dir ein Erklärvideo zu einem Thema an.
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Übe danach das Thema mit passenden Aufgaben.
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Frage bei Problemen einen Experten.
Das ist in Kurzform die Methode des FLIPPED CLASSROOM.
Und das ist auch das Kredo unserer App „Taschenlehrer“, in der man immer einen Experten fragen kann, wenn man eine Frage hat.
Der LEHRER in der HosenTASCHE eben: Der TASCHENLEHRER.
Reinster Müll, U
nterricht ist viel intensiver und man versteht garnichts
Also ich versuche das Ganze jetzt einmal im Matheunterricht in der Mittelschule – da habe ich nur 11 Schüler, die super motiviert sind
In der Schule ist bei der Erklärung immer so nervig, dass das Leistungsniveau so unterschiedlich ist.
Die guten Schüler müssen dann immer bei der Besprechung der Verbesserung warten.
Außerdem schreiben alle unterschiedlich schnell den Hefteintrag ab (Typischer Satz: „Können Sie nochmal zurück, ich war noch nicht so weit.“)
Das könnte man sich alles ersparen.
Besonders dafür spricht auch, den Blickwinkel auf die guten Schüler zu lenken, die mithilfe des Erklärvideos den Stoff zuhause auch alleine verstehen.
Und die schwächeren Schüler schreiben dann „nur“ den Stoff ab und fragen dann im Unterricht nochmal nach.
Während die anderen schon selbständig ihre Aufgaben lösen können, kann man diesen dann noch einmal erklären.
Ich versuche es einmal und bin gespannt 🙂
Das freut uns sehr, dass SIe es ausprobieren. Wie jede Methode, hat auch diese ihre Vor- und Nachteile. Wir sind gespannt, was Sie für Erfahrungen machen. Lassen SIe es uns gerne wissen und schreiben Sie hier ihre Erfahrungen.
Alle Argumente sind richtig. Dennoch frage ich mich, ob hier nicht die Unterrichtszeit schlicht verdoppelt wird? Welcher Schüler möchte, geschweige denn ob er oder sie dafür Zeit hat, den Stoff inhaltlich verarbeiten? Ist das bei unseren voll gepackte Ganztagesschulen nicht eine Überforderung?
Hallo zusammen, könnte man sich auch vorstellen diese Methode einmal mit den Eltern auszuprobieren. Die kriegen das ja dann hautnah mit und könnten je nach Zeit und Präsenz zu Hause die Gedankenspiele mitmachen. Also die PP vom Elternabend gibt es im voraus und am Abend tauscht man sich konkret-inhaltlich darüber aus. Wie kommunikativ bzw. abwechslungsreich könnte das zusammentreffen verlaufen… 🙂
Hallo,
das kann man gerne mal probieren. Generell ist die Methode ja nicht neu. Man gibt die Informationen vorher und trifft sich dann zur Diskussion. Im Unterricht hat man das ja auch schon früher gemacht, indem die Schüler als HA hatten die Seite im Buch zu lesen. Hat nur nicht so gut funktioniert da die Seite im Buch oft unverständlich war. Als Video gut und kurz erklärt funktioniert das besser.
Deswegen ist auch für den Elternabend wichtig, dass die Informationen, die man vorher verschickt gut aufbereitet sind. Deine Erfahrungen würden uns hier interessieren.
Viele liebe Grüße
Ähm, viele LehrerInnen realisieren dieses „vermitteln ein neues Thema kompakt, verständlich und auf ein Grundlagenniveau angepasst“ fast jeden Tag?! Immerhin haben wir ja als LehrerInnen 3-4 Jahre lang genau das studiert, Unterricht planen, didaktische Reduktion, etc. Indem das den Erklärvideos als so neu und innovativ zugesprochen wird, wird es uns LehrerInnen ja praktisch abgesprochen. Schade.
Naja, ich als Lehrerin kann ja die Erklärvideos selber herstellen. Dies geht mit vielen Tools sehr einfach und schnell. Diese „Videos“ haben dann natürlich nicht so tolle Effekte wie die professionellen von gewerblichen Anbietern, aber meine Schüler*innen mögen sie trotzdem – auch wenn mal ein -äh- vorkommt. Die gute Nebenwirkung: Ein großer Teil meiner Schülerinnen hat jetzt auch Spaß daran selber Erklärvideos zu erstellen.
Hallo, kann ich die Bilder, die hier zur Erläuterung eingesetzt werden, für die Erklärung dieser Unterrichtsform verwenden?
Ja, kein Problem!
Guten Tag, für wen, also Alter und Schulart, ist dieses Modell gedacht? Ich unterrichte an einer Real- und Hauptschule. Ich kann mir tatsächlich nicht vorstellen, dass meine Schüler nach einem Schultag, der bis ca. 14h geht, zu Hause nochmal 3-4 Stunden Vorbereitung für den nächsten Tag machen. Dieses Unterrichtsmodell setzt einen Menge an Selbstständigkeit und Fleiß voraus. Wie sind die Erfahrungen abseits vom Gymnasium oder Privatschulen?
Danke für Ihre Antwort
Hallo Sandra,
das Modell ist auch für Realschule und Hauptschule geeignet und zumindest in der Realschule kennen wir viele Beispiele bei denen es sehr gut funktioniert.
Das Konzept ist aber für SchülerInnen schwierig, die sich schlecht selbst organisieren und motivieren können. Das ist bei HauptschülerInnen sicher eher der Fall.
Die Zeit ist nicht so das Problem. Um ein Video von 10-15 Minuten zu bearbeiten braucht man 20-30 Minuten. Das entspricht der Zeit einer klassischen Hausaufgabe.
Viele liebe Grüß
wie mache ich bruchrechnung
Ich flippe die in dein Gesicht
ok
Ich finde es Schade, dass der traditionelle Unterricht lediglich zu 3 Fragezeichen bei den Schülern führt. Das sehe ich anders! Wieso ist in der Zeichnung der Erklärvideos zweimal ein Ausrufezeichen und lediglich ein Fragezeichen? Bedeutet das, dass die Erklärvideos besser sind als die Erklärungen die bisher im Unterricht stattfanden? Dem würde ich auch nicht zustimmen! Im Gegensatz meine ich mich zu erinnern, dass ich als Schüler meine Hausaufgaben und Übungen daheim ohne Schwierigkeiten machen konnte, da diese gut eingeführt wurden. Das Bild beim traditionellen Unterricht endet für mich auch nicht mit dem Schüler, der Fragezeichen hat. Meine Lehrer haben mich am nächsten Tag bei meinen Fragen abgeholt und die Inhalte vertieft. Für mich müsste die Kette daher fortgeführt werden.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass der Unterricht bei mir für einen produktiven Rahmen gesorgt hat und ich nicht ausschließen kann, dass ich mich daheim – ohne eine Person die schaut was ich gerade mache – mit gegebenen Erklärvideos wahrscheinlich nicht auseinandergesetzt hätte. Und wenn ich ehrlich bin, glaube ich auch nicht, dass ich mir damals ein Video 2 mal angeschaut hätte. Aber das ist lange her und daher spekulativ.
Weiter stellen sich bei mir für das Modell folgende Fragen:
Wenn die Erklärvideos nicht so gut sind – also nicht 2 Ausrufezeichen bei den Schülern stehen bleiben – sondern 3 Fragezeichen – wie würde dann die Zeichnung aussehen oder das Konzept? Bzw. wie würde man das auffangen?
Wie stellt sich das Modell die individuelle Betreuung bei 30 Schülern vor? Das heißt bei 30 verschiedenen Lernständen und unterschiedlichem Lerntempi?
Ich finde das Modell interessant! Und kann mir eine Teilintegration in den Unterricht vorstellen. Für ein kurze Zeitspanne. Ob das Modell allerdings als alternative zum traditionellen Unterricht taugt, kann ich mir nicht vorstellen. Hier wäre eine Pilotstudie interessant.
Gab es die bereits?
zu hauf :,D hunderte Studien die besagen das Konzept führt zu mehr engagement, gemertem wissen, interaktivität zu den lehrpersonen sowie unter den studierenden bzw. Schülern etc pp :,D :,D :,D
Zur Verbesserung der Rechtschreibung hat es aber offensichtlich nicht beigetragen.
Siuuuu
Muss ich für die Schüler unbedingt ein Video machen? Wieso kann es nicht ein Text sein, der gelesen und zu dem Fragen beantworter werden sollen?
So neu scheint das Konzept plötzlich nicht mehr, wenn man das Medium des Erklärens ändert.
Natürlich, kann es auch ein Text sein. Manche Vorgänge, z.B. Entwicklung einer Skizze funktionieren als Video aber deutlich besser. Jeder Mensch lernt anders. Wir bieten einen Zugang durch das Video. Und da das Video passend zum Schulbuch ist, haben die Schülern auch einen Zugang mit dem Lehrtext im Schulbuch.
Gibt es Erfahrungsberichte für die Berufsschule ????
Hi, ich bin begeistert vom Konzept und arbeite mich zur Zeit ein. Habt ihr Tipps für mich, welche Methoden sich für die Phase der Vertiefung und des Übens in der Schule eignen? Literatur, Homepages, usw.?
Gibt es ein rechtliches Problem, wenn ich Teile des Schulbuchs (Aufgaben, Bilder, Arbeitsblätter) in meinen Videos veröffentliche?
Der Schulbuchverlag hat das Recht auf Aufgabenzusammenstellungen, aber nicht auf einzelne Aufgaben. Deswegen darfst du einzelne Aufgaben aus dem Buch in deinem Video benutzen.
Wenn du ab und zu mal eine Aufgabe oder ein Bild direkt aus dem Buch in deinem Video benutzt, wird niemand was sagen. Die Verlage haben kein Interesse Dich zu verklagen. Das hat uns der Ernst Klett Verlag selber gesagt.
Wenn du aber anfängst und das komplette Buch als Video (und dann noch mit Lösungen) abbildest, sieht die Sache anders aus. Davon würden wir abraten.
Danke. Super ich arbeite nämlich tatsächlich mit nem Klett Buch und hatte mir gar keine Gedanken darüber gemacht, bis ein Kollege mich darauf aufmerksam gemacht hat.
Danke für den Bericht. Ich finde die Thematik sehr anschaulich dargestellt. Nun meine Frage: Bereiten sich die Schüler zu Hause wirklich vor? Klar wir gehen immer von dem Schüler aus, der tut, kann, will … An der Uni oder FH ist dieses Vorgehen bekannt.
Ich habe mir überlegt, ob ich quasi die „Vorbereitungs“-Sequenz auch im Unterricht durchführe, jeder bereitet sich individuell auf die Aufgaben-, Fragestunde vor….
Hat jemand schon Erfahrungen mit diesem Modell in der beruflichen Grundbildung?
Hallo Roman,
natürlich kann man die Vorbereitungssequenz auch im Unterricht oder in einer Freiarbeitsstunde machen. (Selten) aber ab und zu haben wir das auch schon gemacht und damit gute Erfahrungen gemacht. Meistens geben wir die Videos aber weiterhin als Hausaufgabe auf.
Der Stein der Weisen! – Aber warum wird dieses System erst jetzt publiziert? Warum konnte wir uns als Gesellschaft weiter entwickeln, ohne diese bahnbrechende Neuerung zu kennen und zu nutzen. – Nach der Schule geht es verschiedentlich in eine praktische Ausbildung: Soll auch die Berufsausbildung in dieser Weise vollzogen werden? –
Und: Ist heute der 1. April?
Grüße, Björn
Von wem und wann wurde dieser Bericht geschrieben ???
Dieser Bericht wurde von uns (Felix Fähnrich und Carsten Thein) im August 2018 geschrieben. Warum?
Vielen Dank!
Bei einer Zitierung wird immer das Jahr mit angegeben 🙂
Ich möchte diese Unterrichtform in der Erwachsenbildung einsetzten. Unterrichtsinhalt ist Kommunikation. Welche Empfehlungen gebt ihr mir dazu?
Muss ich Copyright beachten?